Tauchen und Rückenleiden

Die meisten Menschen haben in ihrem Leben schon einmal Rückenschmerzen gehabt und kennen das „Kreuz mit dem Kreuz“ nur allzu gut. Aber Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz! In der Regel steckt dahinter keine ernsthaftere Ursache als Bewegungsarmut, Fehlhaltung, Verschleiß und/oder einseitige oder falsche Belastungen, was zu schmerzhaften Muskelverspannungen oder Blockaden führt. Bei länger bestehenden Beschwerden, vor allem aber immer dann, wenn neurologische Symptome wie Taubheits- oder Schwächegefühl an den Beinen dazukommen, muss zwingend ein Facharzt zur Abklärung aufgesucht werden um ernsthafte Erkrankungen der Wirbelkörper, Gelenke, Bandscheiben und des Rückenmark auszuschließen.

Tauchen löst zwar keine unmittelbaren Schäden an der Wirbelsäule aus, allerdings können sich bestehende Beschwerden verschlechtern oder bis dahin symptomlose Probleme erstmalig bemerkbar machen. Dabei agieren die bekanntesten „Rückenkiller“ im Tauchsport an Land und nicht unter Wasser. Das Schleppen von schweren Tauchtaschen, das Herumwuchten von Flaschen, Bleigurten und bleiintegrierten Jackets, das Festzurren von Flaschengurten etc. sowie das An- und Ablegen der gesamten Ausrüstung bergen bei falscher Technik etliche „Rückenfallen“. Unter Wasser ist es dann für den Rücken bzw. die Wirbelsäule aber auch noch nicht vorbei. Verantwortlich dafür ist eine Verstärkung der natürlichen Wirbelsäulenkrümmung nach vorne im Hals- und Lendenwirbelbereich (Lordose).

Im Wasser wirkt der Zug eines herkömmlichen Bleigurtes, entgegengesetzt dem Auftrieb, nach unten und zieht die Lendenwirbelsäule noch mehr in das Hohlkreuz (Verstärkung der Lendenlordose), während die Halswirbelsäule durch den Blick nach vorn meist überstreckt wird (Verstärkung der Halslordose). Trotz Schwerelosigkeit bedeutet dies Stress für die kleinen Wirbelgelenke und Bandscheiben.

Unser Rücken ist im Grunde für große Beanspruchungen gebaut und hält mächtig viel aus bevor das Symptom „Rückenschmerz“ einsetzt. Der haupttragende Pfeiler des Rumpfes ist die Wirbelsäule, aufgeteilt in Hals- Brust- und Lendenwirbelsäule sowie dem Steißbein. Sie ist eine geniale Konstruktion aus insgesamt 24 Wirbelkörpern zuzüglich der zu einem Knochen verschmolzenen Kreuz- und Steißbeinwirbel. Zwischen den Wirbelkörpern liegen die Bandscheiben als Pufferelemente. Die Wirbelbögen umschließen den Spinalkanal mit dem Rückenmark, aus dem etagenweise die Nervenwurzeln austreten.

Im Normalfall steht die Wirbelsäule mit ihren typischen Schwingungen (Lordose und Kyphose) genau im Lot und wird durch einen komplizierten Halteapparat aus Bändern und Muskeln verspannt und stabilisiert. Oft muss die Wirbelsäule jedoch die Rechnung ohne eine ausreichend kräftige Muskulatur machen und auf Dauer liegt darin die Wurzel des Übels.

Was könnte ein Taucher ergo alles beachten um den Rücken größtmöglich zu schonen?

  1. Regelmäßiger Sport trainiert die Stütz- und Haltemuskulatur
  2. Hilfestellung beim Anlegen der Ausrüstung schont den Rücken (zumindest für den, dem geholfen wird)
  3. Entlastende Übungen während eines langen Tauchganges (z. B. Anziehen der Beine, seitliche Dehnung, Anspannen der Bauchmuskulatur) bringen Erleichterung bei beginnenden Beschwerden.
  4. Integrierte Bleisysteme oder ein Hosenträgerbleigurt verteilen das Gewicht günstiger
  5. Über der Wirbelsäule gepolsterte Tarierwesten mit Hartschale verteilen das Flaschengewicht gleichmäßiger auf dem Rücken

Was sollte ein Taucher NICHT tun?

  1. Einseitiges Tragen schwerer Tauchtaschen
  2. Falsches Heben aus dem (gekrümmten) Rücken anstelle aus den Beinen
  3. Ruckartiges Anheben des Tauchgepäck (z. B. aus dem Auto oder vom Kofferband)
  4. Vorsicht bei Hilfestellung zum Anlegen der Ausrüstung! Dies schont zwar den Rücken desjenigen, dem geholfen wird, jedoch nicht die Wirbelsäule des Helfenden!
  5. Vorsicht beim Flaschen umlagern. Ruckartige Belastungen in Rotation vermeiden

Vorbeugen ist bekanntlich immer besser als Heilen. Regelmäßiger Sport oder Übungen im Fitnessstudio kräftigen die Stütz- und Haltemuskulatur (Rücken UND Bauch!) und schützen dadurch die Wirbelsäule. Dies reicht jedoch nicht aus, wenn wir im Alltag durch einseitige oder falsche Belastung unserer Wirbelsäule dann doch mehr zumuten als sie verkraften kann. Deshalb ist das Erlernen richtiger Bewegungsabläufe so wesentlich – egal ob im täglichen Leben oder rund um den Tauchsport. Im Grunde sollten rückenfreundliche Techniken bereits in jedem OWD-Kurs erklärt und erlernt werden. Was „einseitige Belastung“ bedeutet ist allgemein verständlich. Das einhändige – einseitige Tragen von schweren Tauchtaschen oder Flaschen mit zum Teil ruckartigem Anheben vom Kofferband oder aus dem Auto. Einseitige Belastung heißt aber auch monotone, immer wiederkehrende gleichförmige Bewegungen wie z. B. die Arbeit an einem Fließband. Aber was versteht man nun unter „falschen Bewegungsabläufen“ oder – andere Frage – wie sollte man am besten Sitzen? Ungünstige oder falsche Bewegungsabläufe sind diejenigen, bei denen Rotation, Anspannung und ungünstige Hebelwirkungen zu vielfach höheren Druck- und oder Scherbelastungen der Zwischenwirbelräume mit den Bandscheiben und den Wirbelgelenken führen. Zum Beispiel Heben oder Halten einer Last weit vom Körper entfernt anstelle körpernah, ruckartige Rotation oder alle Hebearbeiten aus dem gekrümmten Rücken. Beim Sitzen macht es die Mischung. Das früher postulierte „gerade Sitzen“ ist out. Beim „Lümmeln“ und „Fletzen“ entspannen sich die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule deutlich besser. Aber Vorsicht: bei vorwiegend sitzender Tätigkeit kann dies auch zum „Haltungsverfall“ führen. Wie gesagt: die Mischung macht's.


Zum Schluss noch ein paar Worte zur Tauchtauglichkeit bei bereits bestehenden Rückenschäden:

Ganz allgemein besteht immer dann Tauchtauglichkeit, wenn durch den Tauchsport keine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Rückens / der Wirbelsäule oder ein verzögerter Heilungsverlauf zu erwarten sind oder etwaige neurologische bzw. schmerzbedingte Einschränkungen die Tauchsicherheit gefährden. Die Freigabe sollte vom Taucherarzt bzw. Orthopäden attestiert werden. Die Differenzierung zwischen bestehenden oder durch den Tauchsport wieder ausgelösten Schmerzen mit oder ohne neurologischen Symptomen sowie deren Abgrenzung zur spinalen Dekompressionserkrankung kann problematisch sein. Diesbezüglich ist es wichtig dem Taucherarzt vorbestehende Erkrankungen mitzuteilen.