Tauchen mit Rückenleiden

Die meisten Menschen haben in ihrem Leben schon einmal Rückenschmerzen gehabt und kennen das „Kreuz mit dem Kreuz“ nur allzu gut. Aber Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz! In der Regel steckt dahinter keine ernsthaftere Ursache als Bewegungsarmut, Fehlhaltung, Verschleiß und/oder einseitige oder falsche Belastungen, was zu schmerzhaften Muskelverspannungen oder Blockaden führt. Bei länger bestehenden Beschwerden, vor allem aber immer dann, wenn neurologische Symptome wie Taubheits- oder Schwächegefühl an den Beinen dazukommen, muss zwingend ein Facharzt zur Abklärung aufgesucht werden um ernsthafte Erkrankungen der Wirbelkörper, Gelenke, Bandscheiben und des Rückenmark auszuschließen.

Erkrankungen der Wirbelsäule

Bandscheibenvorfälle: Bandscheibenvorfälle treten auf, wenn die knorpeligen Bandscheibenbestandteile zwischen den Wirbeln aus dem Bandscheibenfach herausgedrückt werden und dadurch in den Spinalkanal hineinragen. Hier können die Bandscheibenvorfälle auf Nervenwurzeln oder – im Brust- und Halswirbelsäulenbereich – das Rückenmark drücken und dadurch Symptome verursachen. Es kann zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen und Schwäche in den betroffenen Bereichen kommen. Bandscheibenvorfälle sind eine weit verbreitete Erkrankung, bei der die Bandscheiben zwischen den Wirbeln der Wirbelsäule betroffen sind. Sie können in verschiedenen Bereichen der Wirbelsäule auftreten, am häufigsten jedoch in der Halswirbelsäule (HWS) und noch häufiger in der Lendenwirbelsäule (LWS). Selten gibt es sie auch im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS).

a) Bandscheibenvorfälle in der Halswirbelsäule (HWS):
Bandscheibenvorfälle in der Halswirbelsäule sind weniger häufig als in der Lendenwirbelsäule, machen jedoch immer noch einen signifikanten Anteil aller Bandscheibenvorfälle aus. Sie können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter Alter, genetische Veranlagung, wiederholte Belastung des Halsbereichs und Unfälle. Halswirbel-Bandscheibenvorfälle können zu Symptomen wie Nackenschmerzen, Schulterbeschwerden, Taubheitsgefühlen oder Schwäche in den Armen führen.

b) Bandscheibenvorfälle in der Lendenwirbelsäule (LWS):
Bandscheibenvorfälle in der Lendenwirbelsäule sind die häufigsten und am weitesten verbreiteten Formen von Bandscheibenvorfällen. Sie können durch Bewegungsmangel, Übergewicht, berufliche Belastungen, genetische Veranlagung und das Altern begünstigt werden. Symptome von Lendenwirbel-Bandscheibenvorfällen umfassen oft Rückenschmerzen, Ischialgien (Schmerzen, die ins Bein ausstrahlen), Taubheitsgefühle und Schwäche in den Beinen.

Skoliose: Skoliose ist eine seitliche Krümmung der Wirbelsäule, die oft in der Adoleszenz diagnostiziert wird. Sie kann zu Haltungsschwierigkeiten und Rückenschmerzen führen.

Spinalkanalstenose: Bei dieser Erkrankung verengt sich der Kanal, der das Rückenmark umgibt. Dies kann Druck auf das Rückenmark und die Nerven ausüben und zu Schmerzen und neurologischen Symptomen führen. Es ist eine Erkrankung, die aufgrund des chronischen Verschleißes erst im Alter häufig auftritt.

Osteoporose: Osteoporose führt zu einer Verringerung der Knochendichte und erhöht das Risiko von Wirbelkörperfrakturen. Diese Frakturen können starke Schmerzen und eine verminderte Körpergröße verursachen.

Spondylitis ankylosans: Diese entzündliche Erkrankung betrifft vor allem die untere Wirbelsäule und kann zu Steifheit und Schmerzen führen. In schweren Fällen kann die Wirbelsäule versteifen.

Wirbelsäulentumore: Tumore, die in der Wirbelsäule auftreten, können Schmerzen, neurologische Probleme und Veränderungen in der Wirbelsäulenstruktur verursachen.

Wirbelsäulenverletzungen: Unfälle oder Verletzungen können zu Wirbelsäulenschäden führen, die von Prellungen und Stauchungen bis hin zu Wirbelkörperfrakturen oder Schäden am Rückenmark reichen können.

Degenerative Veränderungen: Mit dem Alter können degenerative Veränderungen wie Arthritis, Bandscheibenverschleiß und Wirbelkörperveränderungen (besonders im Bereich der Wirbelgelenke) auftreten, die zu chronischen Rückenschmerzen führen können.

Tauchen mit Wirbelsäulenleiden

Tauchen und der dabei auftretende Druck und Druckdifferenzen lösen zwar keine unmittelbaren Schäden an der Wirbelsäule aus, allerdings können sich bestehende Beschwerden verschlechtern oder bis dahin symptomlose Probleme erstmalig bemerkbar machen. Dabei ist besonders zu beachten, dass im Wasser im „schwerelosen“ Zustand der Rücken und die Wirbelsäule sogar entlastet sind. Die Hauptbelastung der Wirbelsäule und ihrer Bestandteile findet im Tauchsport an Land statt: Das Schleppen von schweren Tauchtaschen, das Herumwuchten von Flaschen, Bleigurten und bleiintegrierten Jackets, das Festzurren von Flaschengurten etc., das An- und Ablegen der gesamten Ausrüstung, sowie der Gang zu Wasser in schwerster Ausrüstung können – besonders bei falscher Belastung – zu einer maximalen Belastung der Wirbelsäule führen. Aber unter Wasser ist es dann für den Rücken bzw. die Wirbelsäule auch noch nicht vorbei. Verantwortlich dafür ist eine Verstärkung der natürlichen Wirbelsäulenkrümmung nach vorne im Hals- und Lendenwirbelbereich (Lordose). Im Wasser wirkt der Zug eines herkömmlichen Bleigurtes, entgegengesetzt dem Auftrieb, nach unten und zieht die Lendenwirbelsäule noch mehr in das Hohlkreuz (Verstärkung der Lendenlordose), während die Halswirbelsäule durch den Blick nach vorn meist überstreckt wird (Verstärkung der Halslordose). Trotz Schwerelosigkeit bedeutet dies Stress für die kleinen Wirbelgelenke und Bandscheiben.

Typische Rückenkiller beim Tauchen sind: Schleppen von schweren Tauchtaschen, selbständiges Anlegen und Ablegen der Tauchgeräte, Flaschen und Geräte herumwuchten oder auch Flaschengurte in gebückter Haltung festzurren.

Was können Taucher beachten, um die Wirbelsäule größtmöglich zu schonen?

  1. Regelmäßiger Sport trainiert die Stütz- und Haltemuskulatur. Hier ist Prävention die beste Maßnahme.
  2. Hilfestellung beim Anlegen der Ausrüstung verhindert eine Fehlbelastung und Überbelastung der Wirbelsäule.
  3. Entlastende Übungen während eines langen Tauchganges (z. B. Anziehen der Beine, seitliche Dehnung, Anspannen der Bauchmuskulatur) bringen Erleichterung bei beginnenden Beschwerden.
  4. Integrierte Bleisysteme oder ein Hosenträgerbleigurt verteilen das Gewicht günstiger auf Wirbelsäule und Becken.
  5. Über der Wirbelsäule gepolsterte Tarierwesten mit Hartschale verteilen das Flaschengewicht gleichmäßiger auf dem Rücken.
  6. Gegebenenfalls Tauchkomponenten und -systeme des sogenannten Sidemount-Tauchen verwenden. Dies wäre besonders bei bereits bestehenden Wirbelsäulenleiden sinnvoll.

An dieser Stelle ein paar Worte zum Sidemount-Tauchen: Dies ist nicht mit dem technischen Tauchen mit zusätzlich angebrachten seitlichen Flaschen gleichzusetzen. Sidemount-Tauchen, wie der Name schon sagt, deutet darauf hin, dass die Flaschen seitlich am Körper getragen werden und nicht wie sonst üblich auf dem Rücken, auch bekannt als Backmount-Tauchen. Durch das seitliche Anbringen der Flaschen ist eine angenehmere Gewichts- und Belastungsverteilung zu erreichen. Besonders Taucher mit Rückenproblemen berichten von erholsamer und schonender Situation des Rückens. Gleichzeitig sorgt die seitliche Anbringung für ein flacheres Tauchprofil. Die damit verbundene andere Wasserlage hilft zudem Haltungsbelastungen des Rückens und Nackens zu vermeiden. Ebenso schont das Sidemount-Tauchen den Rücken, da die Flaschen einzeln getragen bzw. transportiert und erst im Wasser angelegt werden, was auch den Ein- und Ausstieg aus dem Wasser erleichtert. Sidemount-Tauchen ist aber viel mehr als nur ein einfacher Wechsel der Ausrüstungskonfiguration. Es geht hier auch um eine andere Wasserlage und damit andere Möglichkeiten, wie beispielsweise beim Wracktauchen, Höhlentauchen etc., und ein anderes Taucherlebnis.

Was sollte man als Taucher vermeiden?

  1. Einseitiges Tragen schwerer Tauchtaschen.
  2. Falsches Heben aus dem (gekrümmten) Rücken anstelle aus den Beinen.
  3. Ruckartiges Anheben des Tauchgepäck (z. B. aus dem Auto oder vom Kofferband).
  4. Vorsicht bei Hilfestellung zum Anlegen der Ausrüstung! Dies schont zwar den Rücken desjenigen, dem geholfen wird, jedoch nicht die Wirbelsäule des Buddys!
  5. Vorsicht beim Flaschen umlagern. Ruckartige Belastungen in Rotation vermeiden.
  6. Einseitiges Tragen schwerer und überladener Tauchtaschen. Hier sollten besser rollbare Transporthilfen genutzt werden.

Zusammenfassend bedeutet dies aber auch: Vorbeugen ist immer besser als Heilen. Regelmäßiger Sport oder Übungen im Fitnessstudio kräftigen die Stütz- und Haltemuskulatur (Rücken und Bauch) und schützen dadurch die Wirbelsäule. Dies reicht jedoch nicht aus, wenn wir im Alltag durch einseitige oder falsche Belastung unserer Wirbelsäule dann doch mehr zumuten als sie verkraften kann. Deshalb ist das Erlernen richtiger Bewegungsabläufe und guter Hebetechniken so wesentlich – egal ob im täglichen Leben oder beim Tauchen. Was „einseitige Belastung“ bedeutet, ist allgemein verständlich. Das einhändige und/oder einseitige Tragen von schweren Tauchtaschen oder Flaschen mit zum Teil ruckartigem Anheben vom Boden oder aus dem Auto. Einseitige Belastung heißt aber auch monotone, immer wiederkehrende, gleichförmige Bewegungen, wie z. B. die Arbeit an einem Fließband. Aber was versteht man nun unter „falschen Bewegungsabläufen“? Ungünstige oder falsche Bewegungsabläufe sind diejenigen, bei denen Rotation, Anspannung und ungünstige Hebelwirkungen zu vielfach höheren Druck- und oder Schwerbelastungen der Zwischenwirbelräume mit den Bandscheiben und den Wirbelgelenken führen. Beispielsweise das Heben oder Halten einer Last weit vom Körper entfernt anstelle körpernah, ruckartige Rotation oder alle Hebearbeiten aus dem gekrümmten Rücken. Auf der Homepage der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (gtuem.org) gibt es im Download-Bereich ein sehr effektives Rückenprogramm für Sporttaucher. Die einzelnen Skills sind darauf ausgelegt, die spezifischen Muskelgruppen, die vor und nach dem Tauchgang belastet werden, gezielt zu trainieren.

Tauchtauglichkeit und sicheres Tauchen bei bereits bestehenden Rückenproblemen

Ganz allgemein besteht immer dann eine Tauchtauglichkeit, wenn durch den Tauchsport keine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Rückens/der Wirbelsäule oder ein verzögerter Heilungsverlauf zu erwarten sind oder etwaige neurologische bzw. schmerzbedingte Einschränkungen die Tauchsicherheit gefährden. Das bedeutet, dass man auch nach einem Bandscheibenvorfall (egal ob konservativ oder operativ behandelt) oder nach Wirbelsäulenoperationen nicht zwangsläufig das Tauchen als Sport und Hobby aufgeben muss. Die Tauchtauglichkeit muss individuell ärztlich für den Taucher beurteilt werden. Dabei sind ärztlicherseits zwei Aspekte im Detail zu beachten und zu beurteilen: Wieviel Gewicht darf noch gehoben werden und welche Wirbelsäulenbelastungen sind medizinisch vertretbar? Des Weiteren, ob neurologische dauerhafte Ausfälle und Defizite (z. B. Muskellähmungen, Gangstörungen) bestehen, welche die Tauchtauglichkeit beeinträchtigen könnten. Die Freigabe sollte vom Taucherarzt – gegebenenfalls unter Hinzuziehen eines Facharztes für Wirbelsäulenerkrankungen – bestätigt werden. Die Differenzierung zwischen bestehenden oder durch den Tauchsport wieder ausgelösten Schmerzen mit oder ohne neurologischen Symptomen, sowie deren Abgrenzung zur spinalen Dekompressionserkrankung, kann im Einzelfall sonst sehr schwer sein. Deshalb ist es auch so wichtig dem Taucherarzt vorbestehende Erkrankungen mitzuteilen.

Fazit

Rückenschmerzen sind ein häufiges gesundheitliches Problem unserer Bevölkerung. Der Tauchsport bedingt durch die schweren Lasten der Ausrüstung an Land das Risiko für Beschwerden an der Wirbelsäule. Dennoch sind chronische Wirbelsäulenleiden oder ein stattgehabter Bandscheibenvorfall kein Grund, den Tauchsport zwingend aufgeben zu müssen. Hier ist eine individuelle ärztliche Beratung und Prüfung der Tauchtauglichkeit notwendig.

 

Autor: Prof. Dr. med. Stefan Linsler / MHW Medical Board, Facharzt für Neurochirurgie; Intensivmedizin und Notfallmedizin