Mit Pfeil und Gift – Kegelschnecken

Wegen ihrer farbenprächtigen Zeichnung und auffälligen Maserung sind Kegelschnecken beliebte Souvenirs und Sammlerstücke von Tauchern, Schnorchlern und Strandwanderen. Schon so mancher Sammler wurde jedoch eher mit schmerzhaften Verletzungen oder sogar ernsthaften Gesundheitsstörungen bis hin zum Todesfall anstelle mit der begehrten Trophäe belohnt. Einzig allein das Wissen über die Kegelschnecken, ihr Aussehen, ihre Lebensweise und Giftigkeit kann dies verhindern, sowie die begehrten Sammlerstücke dort zu belassen, wo sie hingehören: ins Meer. Vor einem sorglosen Umgang und Hantieren mit den lebenden Schnecken muss eindringlich gewarnt werden.

Kegelschnecken (engl: cone snail) gehören zu dem Stamm der Weichtiere (Molluscae) und der Klasse der Schnecken. Sie sind aktiv giftige Meerestiere, die ihr Gift zum Beuteerwerb einsetzen. Das Gift wird „parenteral“ aufgenommen, d. h. ohne den Verdauungsapparat passieren zu müssen. Im Unterschied dazu gibt es die „passiv giftigen“ Meeresbewohner, die keinen Giftapparat in engerem Sinne besitzen. Die Giftaufnahme erfolgt hier oral durch Verzehr über den Verdauungstrakt (Bsp. Kugelfisch).

Erkennungsmerkmale:

Die Erkennungsmerkmale der Kegelschnecken sind ein gleichmäßig kegelförmiges Gehäuse, selten gibt es auch ovaläre Schalen. Das Gewinde ist meist flach und kurz, die Mündung eher lang gezogen und eng. Die Zeichnung und Färbung ist sehr variabel und unter Wasser oft durch Algenbewuchs nicht gleich erkennbar (siehe Abbildungen). Man unterscheidet ca. 500 verschiedene Arten, von denen die wenigsten für den Menschen wirklich gefährlich sind, jedoch sind die Giftigsten allerdings meist die Schönsten und Farbenprächtigsten (Conus textile, Conus geographica etc. …). Die im Mittelmeer vorkommende Conus mediterraneus hingegen ist für den Menschen völlig ungefährlich. Es gibt Arten, die Würmer, Schnecken oder Fische jagen. Das Gift der Fische jagenden Kegelschnecken ist für den Menschen besonders gefährlich.

Verbreitung:

Kegelschnecken sind in allen Weltmeeren verbreitet, vom Indopazifik über den Atlantik, das Mittelmeer bis nach Westafrika. Die für den Menschen gefährlichen Vertreter leben im Indopazifik, relativ wenige – meist harmlosere Arten – leben im Mittelmeer.

Lebensweise:

Kegelschnecken sind nachtaktive Tiere mit räuberischer Lebensweise, die sich tagsüber in den Sand eingraben. Sie kommen ab wenigen Zentimetern Wassertiefe vor, bei Ebbe manchmal auf dem Riffdach oder am Strand, wo sie Sammlern zum Opfer fallen oder die Sammler dem Gift der Kegelschnecke. Da die Schnecken sich nur langsam fortbewegen können, dienen die Giftpfeile der Immobilisation des Beutetieres. Ist das Beutetier (Fisch, Schnecke, Wurm) getroffen, kommt es binnen kürzester Zeit zur kompletten Lähmung. Die Kegelschnecke hat nun genug Zeit sich ihrer Nahrung zu nähern um sie in einem Stück zu verschlingen. Das Schlundrohr kann sich hierzu erstaunlich weit aufdehnen.

Giftapparat:

Unabhängig von ihrer Beutespezialisierung auf Würmer, andere Schnecken oder Fische besitzen Kegelschnecken einen gleichförmig aufgebauten Giftapparat. Er ist kompliziert und ein wahres Wunderwerk der Natur. Er besteht im engeren Sinne aus drei Teilen: der Giftblase, der Giftdrüse und den Giftpfeilen (siehe Abbildung 4). Die Giftdrüse ist als langer Schlauch ausgebildet (1), dessen hinteres Ende sich zu einem Reservoir, der Giftblase (2), erweitert, in dem das Gift gespeichert wird. Diese Giftblase hat eine muskulär aufgebaute Wand, die durch Kontraktion als Pumpe dient und das Gift in die vordere Schlauchöffnung in den Schlund drückt. Dort befindet sich der sogenannte „Radulasack“ (3), in dem die Giftpfeile gespeichert werden wie in einem Köcher. Diese sind ursprünglich modifizierte Produkte der Schneckenzunge (Radula), sogenannte Chitinzähnchen. Die Zähnchen sind formvollendet in mehrere Millimeter lange, hohle Harpunen oder Pfeile umgewandelt und mit Widerhaken versehen (4). Bei Bedarf wird ein Pfeil in den Schlund gedrückt, mit Gift armiert und durch Druck der Schlundmuskulatur auf das Beutetier geschossen, das rasch paralysiert und anschließend vollständig verschlungen wird. Eine solch „geladene Harpune“ durchdringt mühelos einen Tauchhandschuh und hat einen erstaunlich großen Radius. Also: Finger weg!!! Ein Giftpfeil dient zur einmaligen Verwendung, im Radulasack sind jedoch bis zu 20 Stück gespeichert. Schneller Nachschub ist also durchaus vorhanden.

Gifte und Toxine:

An dieser Stelle ist es wichtig zu definieren, was im Folgenden unter einem Gift und einem Toxin verstanden wird.

Gifte sind nichts „Reines“. Sie sind Gemische verschiedener Sekretionsprodukte und enthalten eine Vielzahl unterschiedlicher Substanzen, die ab einer bestimmten Konzentration einen Organismus schädigen und ihn vergiften. Das Bienengift zum Beispiel besteht aus einer Vielzahl von Komponenten, unter denen sich auch Toxine befinden. So auch bei der Kegelschnecke.

Ein Toxin ist hingegen ein Stoff, grundsätzlich natürlichen Ursprungs, der chemisch rein und eindeutig definiert ist. Toxine sind Bestandteile von Giften. Sie treten nur ganz selten einzeln auf.
Die Maßeinheit für die Toxizität eines Toxins ist die LD 50. Das ist die mittlere letale (tödliche) Dosis, bei der 50 % der Versuchstiere überleben. Natürlich lassen sich diese Werte, die an Labormäusen gewonnen wurden, nur bedingt auf den Menschen übertragen. Trotzdem ist die LD 50 ein Richtwert auf der Messlatte der nach oben offenen Giftigkeitsskala. Je kleiner die LD 50 ist, desto giftiger bzw. tödlicher ist das Toxin. Vom Toxin der Kegelschnecken sind nur 12-30 µg/kg tödlich für 50 % der Versuchstiere, hingegen braucht man 10 000 µg/kg Natriumcyanid um 50 Mäuse von 100 zu töten.

Das Gift der Kegelschnecken ist – je nach Nahrungstyp – nur bei der typischen Beute wirksam (entweder bei Fischen oder Schnecken oder Würmern). Alle Gifte sind Proteine (Eiweiße) und enthalten eine Vielzahl biologisch äußerst wirksamer Toxine. Einzelne Giftmischungen bestehen aus über 50 Einzelkomponenten und gehören zu den wirksamsten Giftmischungen, die man kennt. Die Toxine der Kegelschnecken werden als Conotoxine bezeichnet. Alle Conotoxine, die lebensbedrohliche Zustände beim Menschen auslösen können, stören auf sehr spezifische Weise die neuromuskuläre Erregungsleitung an mehreren Stellen gleichzeitig und führen so zu äußerst effektiven Muskellähmungen. Es sind vorwiegend die Fische jagenden Arten, die dem Menschen gefährlich werden können – sogar mit Todesfolge.

Vergiftungsumstände und Symptome:

Wie schon erwähnt ist jegliches Hantieren und Anfassen der Schnecken riskant. Die Schnecke kann sich einerseits so weit in ihr Gehäuse zurückziehen, dass es auch auf den zweiten Blick leer erscheinen mag. Andererseits kann sich das Tier mit seinem beweglichen Schlundrohr jedoch auch so weit aus dem Gehäuse heraus strecken, dass sogar das Anfassen des Gewindes gefährlich ist und die Hand des Sammlers mit dem abgeschossenen Giftpfeil erreicht werden kann. Ein Stich oder Verletzung kann völlig unbemerkt verlaufen, oder aber ähnlich schmerzhaft wie ein Bienenstich sein.

Nach der anfänglichen Schmerzreaktion kommt es in der Regel nach ca. 7-20 Minuten zu einer Schwellung und einem Taubheitsgefühl um die Einstichstelle, das sich ausbreiten kann. Das Taubheitsgefühl kann in Lähmungserscheinungen des betroffenen Körperteils (meist obere Extremität) übergehen und sich möglicherweise darüber hinaus auf den ganzen Körper ausbreiten. Die Muskellähmungen hängen vom Ausmaß der Vergiftung und der Kegelschneckenart sowie ihrer Größe ab. Schnecken über 10 cm gelten als sehr gefährlich. Zu den ersten Anzeichen einer schweren Vergiftung gehören allgemeine Mattheit, Sprach- Seh- und Schluckstörungen. Im weiteren Verlauf kann es zu Koordinationsstörungen, Bewusstseinsstörungen, Bewusstlosigkeit und Tod durch Atemlähmung kommen. Nach überlebter Vergiftung sind Immunreaktionen und allgemeine Muskelschwäche bis über Monate möglich.

Therapie und Erste Hilfe:

Eine spezifische Therapie in Form eines Antiserums gibt es nicht. Daher kommen der ersten Hilfe und schnellen, symptomorientierten Maßnahmen besondere Bedeutung zu.

  1. Wasser sofort verlassen
  2. Beruhigung des Verunfallten
  3. Eventuell Heiß-Wasser-Methode (Vorsicht vor Verbrühungen!)
  4. Schnellstmöglicher Transport zu einem Arzt. Schnelligkeit ist lebensrettend.
  5. Bei Atemstillstand: Mund zu Mund oder Mund zu Nase-Beatmung
  6. Ärztliche Maßnahmen: Ständige Überwachung, mindestens 24 Stunden – auch bei leichten Vergiftungen. Kreislaufstabilisierende Maßnahmen, eventuell Intubation und Beatmung. Lähmungen sind reversibel und gehen meist nach einigen Stunden zurück. Medikamente wie Cortison und Antiallergika beeinflussen den Verlauf nicht.

Letztendlich sieht man meistens das was man kennt – so ist es auch bei der Kegelschnecke. Vor allem die Aufklärung von entdeckungs- und sammelfreudigen Kindern ist wesentlich, um Unfälle zu vermeiden. So lässt sich vermeiden, dass die Kegelschnecke zum Opfer des Sammlers – oder der Sammler zum Opfer der Kegelschnecke wird.

Anmerkung:

Conotoxine sind Gegenstand intensiver medizinischer Forschung und wurden in den letzten Jahren erstmals in der Schmerztherapie eingesetzt.

Zum Weiterlesen:

  1. Achtung Gefährlich, Alles was im Meer beißt, brennt, nesselt und sticht. Paul Munzinger & Lutz Odewald, uw-media-production, ISBN: 3-00-012327-X
  2. Giftige und Gefährliche Meerestiere, Matthias Bergbauer, Müller Rüschlikon, ISBN: 3-275-01247-9
  3. Gifttiere, Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker, Dietrich Mebs, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, ISBN: 3-8047-1639-3